Schaumburger Zeitung vom 16. Mai 2014

Erinnerung, sprich!

Eine Ausstellung im Heimatmuseum thematisiert die Weltmeisterschaften, die Deutschland gewann

Hattendorf. Für den Historiker Joachim Fest gibt es keinen Zweifel: Es gibt drei Gründungsväter der Bundesrepublik: politisch ist es Konrad Adenauer, wirtschaftlich Ludwig Erhard und mental Fritz Walter. Konsequent legte Fest das Gründungsdatum der Bonner Republik vom 23. Mai 1949 auf den 4. Juli 1954 – den Tag des WM-Endspiels von Bern; den Tag, an dem Deutschland die scheinbar übermächtigen Ungarn mit 3:2 besiegte.

Toni Turek im Tor parierte, Sepp Herberger auf der Bank taktierte und Helmut Rahn kam aus dem Hintergrund, schoss und traf: Aber das Wunder von Bern bleibt ewig mit einem anderen Namen verbunden. Mit dem von Fritz Walter, den nur seine engen Freunde bei seinem Vornamen Friedrich nannten und dessen Name mit schlechtem Wetter verbunden wurde, weil er erst dann seine glänzende Technik ausspielen konnte. Der schlaksige Mann aus Kaiserslautern strickte auch eifrig an seinem Ruf mit und schrieb zwei Bücher über die Weltmeisterschaften 1954 und die darauffolgende in Schweden, bei der Titelverteidiger Deutschland dem Gastgeber im Halbfinale 1:3 unterlag und Vierter wurde. Es war das letzte Spiel von Fritz Walter im Trikot der deutschen Nationalmannschaft, nach einem harten Foulspiel schied er in der 75. Minute verletzt aus.

In seinem zweiten Buch hat er diesen Moment gegen den Schweden Parling so intensiv und schmerzhaft geschildert, dasder Leser auch heute noch zusammenzuckt – gut schreiben konnte Friedrich der Große nämlich auch. Beide Walter-Bücher sind in der neuen Ausstellung im Heimatmuseum zu sehen, sie stammen aus der Sammlung von Wilfried Störig, der als Mitglied der Mittwochsrunde zu den engagierten Ehrenamtlichen zählt. Störig hat rund um den deutschen Nationalfußball gesammelt, im Museum sind Exponate zu sehen, die sich vor allem auf die Weltmeisterschaften 1954, 1974 und 1999 beziehen, also jene Weltmeisterschaften, bei der am Schluss auch das beste Team den Pokal in den Händen hielt. Und von der Weltmeistermannschaft 1954 gibt es sogar ein vierteiliges Gläserset, inklusive Trainer, Auswechselspieler gab es zu jener Zeit noch nicht.

 

Es ist, und das ist in einem Museum nicht besonders verwunderlich, eine Ausstellung, die nostalgische Gefühle weckt. Erinnerung, sprich, möchte man sagen, während die Augen auf zwei Buben in weißen Trikots und schwarzen Hosen fallen und man sich dunkel daran erinnert, dass dies nicht Max und Moritz sind, auch wenn sie den Busch-Bengeln deutlich nachempfunden sind. Nein, das sind Tip und Tap, die mit ihren Namen an ein Kinder-Spiel erinnern: Wer die Spitze seines Fußes auf den des anderen setzt, darf als erster für seine Mannschaft wählen.

 

Es ist auch eine Ausstellung, die davon erzählt, wie sehr der Kommerz den Fußball in seine Finger bekam: War ein Gläserset vor 60 Jahren noch eine bemerkenswerte Ausnahme, so ist heute der Fußball durch und durch vermarktet: es gibt kein Produkt mehr, dass nicht mit dem WM-Logo verkauft werden kann

Da kann die WM doch kommen: Hut und Fanschal und Vuvuzela liegen bereit,
Da kann die WM doch kommen: Hut und Fanschal und Vuvuzela liegen bereit,

Es ist wie in jeder schönen Ausstellung: Je länger man blickt und schaut, desto mehr sieht man. Ein Bild der DDR-Mannschaft von 1974 etwa. Ohne dieses Team wären wir damals nicht Weltmeister geworden, denn bei einem Erfolg hätte Bundestrainer Helmut Schön nicht die halbe Mannschaft gewechselt und zudem wären wir als Gruppensieger auf die starken Gegner Brasilien, Argentinien und Niederlande getroffen – so konnte sich die neu formierte deutsche Mannschaft gegen Jugoslawien, Schweden und Polen einspielen. (Und sollte man jemals vor einem Grabstein stehen, auf dem nur „Hamburg 1974“ stünde, dann wüsste man, dass hier die Gebeine von Jürgen Sparwasser ruhen.)

 

Die Blicke fallen abschließend auf eine Liste der Fußballer, die aus dem Schaumburger Land stammen oder hier einmal gespielt haben. Es sind bekannte Namen wie Neal Marmon (Rinteln), Bernd Dierßen (Lindhorst) oder auch Detlef Dammeier aus Nordsehl, und auch ein Weltmeister findet sich hier wieder, der ein paar Meter weiter auf einen Bierglas verewigt wurde: Josef „Jupp“ Posipal. Nach dem Krieg hatte Posipal unter dem Pseudonym Berwanger einige Male für Blau-Weiß Wölpinghausen im Schaumburger Land gespielt. In Wiedenbrügge, wo sich früher der Fußballplatz des Sportvereins „Blau-Weiß“ befand, wurde am 18. Juni 2006 ein Gedenkstein für Jupp Posipal enthüllt. Der einzige HSV-Spieler, der jemals Weltmeister werden sollte, war auch für lange, lange Jahre einer der ersten Spieler mit Migrationshintergrund im Dress der Nationalmannschaft: Posipal ist am 20.Juni 1927 in der rumänischen Stadt Lugoj geboren, er wanderte mit 16 Jahren nach Deutschland aus.

VON FRANK WESTERMANN